Werte und Normen
Bewerteten zum Bewertenden – und wieder zurück
Gut, befriedigend, ungenügend? Was in der Musik zur Klassifizierung der Tonhöhe
dient, wird im Bildungssystem für die Messung und Bewertung von Leistungen
sozusagen zweckentfremdet – und das manchmal weniger klangvoll als ihr
musikalisches Äquivalent: die Note. Wer sie erteilt, dem muss klar sein, dass die
Verantwortung, die dieser Aufgabe inne liegt, eine kaum Höhere sein kann. Genau
dieser Verantwortung stellten sich Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst am 01.10.2020
im Studienseminars Hannover für das Lehramt an berufsbildenden Schulen.
Im Rahmen der donnerstäglichen Seminarveranstaltung im pädagogischen Seminar
wird bei der Durchführung des Stationenlernens schnell deutlich: Die Seminargruppe
04.21b befasst sich nicht erst seit Bearbeitung der neunten Lernaufgabe mit dem
Thema „Leistungsmessung und -bewertung“. Verwundern dürfte es also niemanden,
dass über die eigentlichen Stationsaufgaben hinweg vor allem der Austausch im
Mittelpunkt steht, ein lang ersehnter Austausch, denn kaum ein Thema dürfte eine
junge Lehrkraft mehr bewegen, als das der Notenermittlung und -erteilung. Völlig
zurecht, denn die Komplexität, Autorität und Kontroversität einer schulischen
Bewertung zieht sich wie ein roter Faden durch die Laufbahn einer Lehrkraft. Damit
dieser rote Faden nicht zum Strick gerät, tauscht man sich rege aus, über Methoden,
über Funktionen, auch die notwendigen rechtlichen Grundlagen und die – ja,
manchmal lästige, aber notwendige – Dokumentation und Verwaltung der Messung
und Bewertung. An den einzelnen Stationen herrscht dabei ein mittlerweile völlig
übliches, methodisches Schlaraffenland. Es wird betrachtet, gerätselt, verglichen,
geschmunzelt und debattiert. Im Laufe des Vormittags entsteht jedoch auch ein
Metagespräch über das, was man da eigentlich tut. Es fallen Begriffe wie Fairness,
Gleichberechtigung, Gerechtigkeit. Ein gutes Zeichen, man ist sich hier der Tragweite
der Zahlen 1-6 bewusst. Der Tenor: Noten sollen nicht bestrafen und klassifizieren,
auch nicht diskriminieren oder (aus-)selektieren. Vielmehr sollen sie als Indikator
dienen, als Spiegel dessen, was der oder die Lernende bereits kann und was sie noch
lernen muss und will.
Und hier beginnt sie, die eigentliche Arbeit einer Lehrkraft: Das Lernen lehren. Eine
Note darf dabei niemals alleine stehen, sie muss immer einhergehen mit dem Wunsch,
dass das Potenzial eines Schülers oder einer Schülerin ausgeschöpft wird, mit der
Fantasie dessen, was mit guter pädagogischer Arbeit erreicht werden kann. Ja,
Diamanten entstehen unter Druck, nicht aber Menschen. Lernenden müssen Wege
aufgezeigt werden, keine Einbahnstraßen. Wie in der Musik, steht eine Note dabei
niemals alleine. Erst mit Transparenz, zielgerichteter Diagnostik, Beratung und
individueller Förderung entsteht das, wofür Noten eigentlich gedacht sind: eine
Melodie.